„Immer, wenn ich versuche zu perfekt zu sein, wird mir das früher oder später ein Bein stellen.“

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Von inneren Motiven, ein Studium lieber nicht zu beenden, von vor Prokrastination gefeiten Medizinstudenten und einer aufgeräumten Küche – ein Gespräch mit Ronald Hoffmann, Leiter der „Zentrale Studienberatung und Psychologische Beratung“ der Universität Hamburg.

Ein Beitrag für das Prokrastinations-Heft des Männermagazins ERNST. Nummer 1/2019.

Foto: Frank Keil

Wenn man über Prokrastination spricht, was ist das größte Missverständnis?

Es gibt zwei große Missverständnisse: das ist etwas ganz Schlimmes. Und: Prokrastinierer sind faul. Beides stimmt nicht.

Sondern?

Prokrastinieren tun wir alle. Jeder von uns kennt Zeiten des Prokrastinierens, weil es etwas sehr Menschliches ist. Und das mit dem faul-sein stimmt nicht, weil die Zeit des Prokrastinierens sehr konstruktiv gefüllt wird – nur nicht mit dem, was man eigentlich tuen sollte. Aber das heißt nicht, dass man nichts tut. Man ist hochgradig aktiv und macht in der Regel sehr sinnvolle Dinge. Man sollte sehr genau schauen, wenn man über Prokrastinieren spricht – und bedenken, dass es erstmal ein sehr alltäglicher Vorgang ist.

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„Lyrik macht die Welt kostbarer“

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Mit „Einvernehmlicher Sex“ hat Dagrun Hintze einen fulminanten Gedichtband geschrieben. Ein Gespräch über das Altern und Schäden an der Sprache.

taz: Frau Hintze, wie schafft man es, einen so wunderbaren Lyrik-Band zu schreiben?

Dagrun Hintze: Oha, was sage ich jetzt dazu! Also: Ich denke, dass die meisten Menschen, wenn sie anfangen zu schreiben, mit Lyrik beginnen. Die meisten von uns haben vermutlich irgendwelche schlimmen Pubertätsgedichte, wo sie sich das Herz herausgerissen haben, im Giftschrank liegen. Lyrik ist die ursprünglichste Form, über die Menschen sich schriftlich äußern, wenn sie eine literarische Form suchen – und das war bei mir auch so. Es gibt eine lange Geschichte mit mir und der Lyrik und wenn ich mein Selbstverständnis beschreiben sollte, dann ist es das einer Lyrikerin, wahrscheinlich sogar mehr als das einer Theatermacherin, die ich ja auch bin. Insofern bin ich da ganz bei mir selbst – wenn man so eine schreckliche Formulierung wählen möchte.

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Annas Welt

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Selja Ahava: „Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm“. Aus dem Finnischen von Stefan Moster. Mare Buch, Hamburg; 224 Seiten, 20 Euro

I.

Man kann es sich ganz einfach machen und jetzt schreiben: „Der Roman ‚Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm“ von Selja Ahava erzählt von der Alzheimererkrankung einer gewissen Anna, die am Ende ihres Lebens angekommen in einem Altenheim wohnt und dort von Gott in Strümpfen besucht wird, der mit ihr einen letzten Spaziergang unternimmt“. Damit würde sich dieses Buch mühelos einreihen lassen in eine Flut anderer Romane, in denen deren Protagonisten an Alzheimer erkranken – zum Schrecken und Erschrecken ihrer Zeitgenossen, also auch uns. Denn wenn es etwas gibt, das uns derzeit so sehr in Panik und eben Schrecken versetzt, dann die Vorstellung, all dass, was wir ein Leben lang an Informationen, Erfahrungen und Eindrücken sammeln und für das wir mittlerweile eine hochtechnologische Speicherindustrie entwickelt haben, könnte sich am Ende in ein Wirrwarr von letzten, immer brüchiger werdenden Gedanken und dann Halbsätze und dann voneinander isoliert dastehenden Worten auflösen. Download fehlgeschlagen, sozusagen. Festplatte – leider leer. Keine Daten mehr lesbar; wirklich nicht. Und dafür haben wir all diesen Aufwand betrieben? Haben uns ständig geschult und gelernt und gelernt, damit wir auch das nächst neue Medium beherrschen, während früher (ach, ja, früher) ein Fotoalbum reichte, ein Diakasten, ein Stapel zusammengebundener Briefe und vielleicht das gute alte Tagebuch.

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